Stellungnahme zur geplanten Änderung der Grünflächenverordnung
Junge Menschen brauchen Freiräume

Stadtjugendring Erfurt, 29.09.2021

Am Dienstag 21.09.2021 war die Erfurter Beteiligungsstruktur für junge Menschen [BÄMM!] im Ausschuss für Stadtentwicklung, Bau, Umwelt, Klimaschutz und Verkehr zu Gast, um sich an der Diskussion über eine Satzungsänderung der Benutzung der Grünanlagen zu beteiligen. Inhalt der Satzungsänderung ist es, das Abspielen von elektronisch verstärkter Musik (etwa über Bluetooth Boxen) zukünftig in Erfurter Grünanlagen zwischen 22 Uhr und 06 Uhr zu untersagen und als Ordnungswidrigkeit zu behandeln. Der Antrag wurde im Ausschuss angenommen und ist nun als Beschlussvorlage Gegenstand in der Stadtratssitzung am 06./07. Oktober.

[BÄMM!] Es braucht Jugendbeteiligung.

Bereits im Vorfeld sprach sich BÄMM! für eine Verschiebung des Tagesordnungspunktes auf eine spätere Sitzung aus, um Raum für Dialog und Jugendbeteiligung zu schaffen. Außerdem kritisierte BÄMM! das intransparente Vorgehen - so wurde der Tagesordnungspunkt in den nicht-öffentlichen Teil der Sitzung gelegt. Ebenso wurde die Beteiligungsstruktur BÄMM! vom Antragssteller (Dezernat 03: Sicherheit und Umwelt) über die geplante Änderung im Vorfeld nicht informiert und das, obwohl es bereits einen Austauschprozess zu einem ähnlichen Thema, nämlich über die Nutzung der Grünfläche Venedig, gibt. "Dabei betrifft die Entscheidung offensichtlich Jugendliche und junge Erwachsene. Hier wurde ein Vorgehen gewählt, das an den jungen Menschen vorbei geht und sie vor vollendete Tatsachen stellt", so Thomas Forthaus (Beteiligungsreferent BÄMM!). In der besagten Satzung zur Beteiligung junger Menschen heißt es in § 3 Beteiligungsrechte und -pflichten: "Der Stadtrat, die Ortsteilräte und die Stadtverwaltung informieren die Beteiligungsstruktur über alle wesentlichen Angelegenheiten, die die Belange von jungen Menschen betreffen ...". 

[Stadtjugendring Erfurt] Es braucht eine Verständigung über die Nutzung von Grünflächen in Erfurt, die auch die Bedürfnisse junger Menschen ernst nimmt.

Die Nutzung Erfurter Grünflächen in den Abendstunden war in den letzten Monaten beständiger Gegenstand der öffentlichen Debatte. Der Bedarf nach "unverzweckten Freiräumen" für junge Menschen im öffentlichen Raum hat sich unter der Covid-19-Pandemie noch einmal verschärft. Vor allem Jugendliche und junge Erwachsene haben und hatten es in dieser Zeit nicht leicht. Sie werden schnell als „Störfaktor“ wahrgenommen, wenn sie etwa in Gruppen Musik hören, im Park Bier trinken oder gemeinsam Zeit verbringen. Unserer Auffassung nach brauchen junge Menschen öffentliche Räume in denen sie sich aufhalten können. Ein Verbot in der vorliegenden Art löst das Problem nicht, vielmehr reduziert es die komplexe Problemlage auf eine Einzelursache. Herausforderungen und Probleme wie Ruhestörung, Lärmbelästigung oder Müll verschwinden nicht, sondern werden lediglich verlagert.

So wenig es eine Lösung sein kann, dass Anwohner:innen in den Sommermonaten Lärmbelästigung und Ruhestörung ausgesetzt sind und diese einfach tolerieren müssen, so wenig verschwinden junge Menschen durch derartige Sanktionen einfach aus dem öffentlichen Raum. Problematisch ist für uns, dass durch ein solches Vorgehen kein gegenseitiges Verständnis und die gemeinsame Suche nach Lösungen befördert wird. Der Stadtjugendring plädiert für eine Lösung, die die unterschiedlichen Beteiligten zur gegenseitigen Rücksichtnahme ermutigt. Es geht darum die Bedürfnisse aller Beteiligten in einen Ausgleich zu bringen und diese am Prozess zu beteiligen. Es darf auch nicht das Ziel sein, bestimmte Gruppen zu kriminalisieren.

Der Mangel an nicht-kommerziellen Orten und Alternativen zur Freizeitgestaltung in den Abendstunden, insbesondere während der Covid-19-Pandemie, wird allzu schnell mit einer prinzipiellen Rücksichtslosigkeit junger Menschen verwechselt. Dabei ist das Bedürfnis von Jugendlichen und jungen Erwachsenen nach nicht-kommerziellen Räumen auch in den Abendstunden ernst zu nehmen. Uns ist durchaus bewusst, dass es sich dabei um eine städtebauliche und politische Herausforderung handelt, die es aber dennoch Wert ist, in Ruhe bedacht zu werden. In Erfurt muss es nicht an allen Orten die gleichen Regeln geben. Die Situation der Anwohnerbelastung durch Lärm ist von Ort zu Ort durchaus unterschiedlich. Es braucht von Seiten der Stadtverwaltung und Stadtpolitik einen Prozess,  der auf Dialog und Interessenausgleich setzt und nicht auf Verbote und Sanktionen. Dieser Prozess muss selbstverständlich im gemeinsamen Gespräch mit jungen Menschen und Anwohner:innen stattfinden und gegenseitige Rücksichtnahme, Verständnis und klare Regelungen zur Folge haben.

"Junge Menschen und ihre Interessenvertretungen müssen an Prozessen der Stadtentwicklung frühzeitig beteiligt werden. Der bisherige Prozess um den Antrag auf Satzungsänderung der Grünflächenordnung sendet hierbei das falsche Signal an junge Bürger:innen in Erfurt. Insgesamt ist der aktuelle Antrag nicht differenziert genug und reduziert eine komplexe Problemlage auf eine Einzelursache. Der Stadtjugendring Erfurt plädiert deswegen dafür, den Antrag zurückzuziehen und einen Dialog anzustoßen", so Klaus Zebe (Vorsitzender Stadtjugendring Erfurt) abschließend.

Weitere Informationen

Die Beteiligungsstruktur BÄMM! macht aus aktuellem Anlass eine Umfrage zu Nutzung, Meinungen und Perspektiven auf die geplante Änderung.