Offener Brief: Die Kürzung der Örtlichen Jugendförderung im Landeshaushaltsentwurf 2022 des TMBJS verhindern!

Sehr geehrte Fraktionsvorsitzende,
sehr geehrte jugendpolitische SprecherInnen,
sehr geehrte Fraktionen des Thüringer Landtags,

mit großer Sorge nehmen wir die geplante Kürzung von 1,5 Millionen Euro im Entwurf des Landeshaushaltsentwurfs 2022 - Einzelplan 04 - Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport für den Bereich "Örtliche Jugendförderung" zur Kenntnis (Seite 63).

Örtliche Kinder- und Jugendarbeit - Teil des Alltags junger Menschen 

Mit diesen Mitteln werden u.A. Angebote der Offenen Kinder- und Jugendarbeit, Jugendverbandsarbeit und Jugendsozialarbeit auf lokaler Ebene finanziert. Das ist zum Beispiel der Jugendclub, in dem Jugendliche mehrmals die Woche ihre Freizeit verbringen; der Jugendverband, in dem junge Menschen sich über Jahre hinweg ehrenamtlich engagieren & jährlich aufs Zeltlager fahren; das ist die Streetwork, die auf Schulhöfen oder in der Innenstadt jungen Menschen ein offenes Ohr und Hilfe bei Problemen anbietet, und vieles mehr. Die vielfältigen Strukturen der Kinder- und Jugendarbeit in Thüringen sind wichtige Freizeit- und Bildungsorte, Orte der Unterstützung und Begleitung bei Herausforderungen, Orte der Partizipations- und Demokratieerfahrung, des Ausprobierens und Experimentierens für junge Menschen während ihrer Entwicklung zu verantwortlichen und eigenständigen Persönlichkeiten. 

Die Antwort auf Covid-19 - nicht weniger, sondern mehr Geld für die Kinder- und Jugendarbeit

Während der Covid-19-Pandemie waren Träger der Kinder- und Jugendarbeit für junge Menschen erreichbar und entwickelten eine Vielzahl von Unterstützung-, Freizeit- und Bildungsangeboten auch unter Covid-19. Damit leisten unsere Mitgliedsorganisationen einen wichtigen Beitrag zur Abmilderung der verschiedenen Lockdowns und der mittel- und langfristigen negativen Folgen der Covid-19-Pandemie auf junge Menschen. Diese negativen Folgen, insbesondere auf benachteiligte Kinder und Jugendliche, werden seit Beginn der Covid-19 Pandemie von Wissenschaft und Fachkräften der Kinder- und Jugendarbeit prognostiziert. Erste empirische Untersuchungen und Berichte aus der Praxis bestätigen diese Prognosen bislang. Soll den mittel- und langfristigen negativen Folgen der Covid-19-Pandemie für Kinder und Jugendliche entgegengewirkt werden, so kann die Antwort auf die Covid-19-Pandemie nicht weniger, sondern mehr Geld für die örtliche Kinder- und Jugendarbeit lauten.

Gegen Kürzungen in der Kinder- und Jugendarbeit - für junge Menschen in Thüringen

Es ist davon auszugehen, dass die geplante Kürzung des Postens "Örtliche Jugendförderung" nicht dadurch aufgefangen wird, dass auf lokaler Ebene die Eigenanteile für die örtliche Jugendförderung angehoben werden, sondern dass es 2022 an vielen Orten in Thüringen zu Kürzungen in der Kinder- und Jugendarbeit kommen wird. Ein Rechenbeispiel: Eine volle Sozialarbeiter:innen-Stelle in der Kinder- und Jugendarbeit (bezahlt nach TVÖD VKA) kostet derzeit mindestens knapp 50.000 Euro im Jahr. Das wären bei einer Kürzung von 1,5 Millionen Euro insgesamt knapp 30 Stellen, die durch die Kürzung der Örtlichen Jugendförderung in Thüringen wegbrechen würden.

Erschwerend hinzu kommen steigende Kosten bei bestehenden Ausgaben (Tariferhöhungen, steigende Sozialversicherungsbeiträge, Inflation, steigende Energiekosten). Die im Haushaltsentwurf vorgesehene Förderung der Örtlichen Jugendarbeit in Höhe von 15 Millionen Euro speist sich aus der im Kinder- und Jugendhilfeausführungsgesetz festgelegten Mindestsumme von 15 Millionen Euro aus dem Jahr 2019 (ThürKJHAG, §15b). Im Gesetz heißt es jedoch weiter „Das für Kinder- und Jugendhilfe zuständige Ministerium überprüft alle zwei Jahre die Höhe einer Anpassung des Zuschusses und informiert den für Jugend zuständigen Ausschuss des Landtags über das Ergebnis der Prüfung.“ Die Nicht-Anpassung der Mindestförderung bei steigenden Ausgaben kommt demnach faktisch einer Kürzung der Mindestförderung der Örtlichen Jugendarbeit gleich. 

Die geplante Kürzung sendet ein fatales Signal an junge Menschen in Thüringen. Ihnen droht das Wegbrechen von Freiräumen, Freizeitmöglichkeiten, Bildungsorten, Hilfsangeboten, und Räumen für Demokratieerfahrung. Junge Menschen sollen nicht für die Corona-Krise zahlen müssen. Wir bitten Sie deshalb, sich in Ihrer Fraktion für eine Änderung des geplanten Haushaltes stark zu machen und die geplante Kürzung zu verhindern - für junge Menschen in Thüringen. Gerne stehen wir für Rückfragen und Gespräche zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen, 

Lisa Schwörer (Stadtjugendring Erfurt) im Auftrag der

AG Örtliche Jugendringe Thüringens

Mitunterzeichner: Landesjugendring Thüringen e.V.

AG Örtliche Jugendringe Thüringens

Kreisjugendring Altenburger Land • Kreisjugendring Eichsfeld; KSB Eichsfeld • Stadtjugendring Erfurt • Stadtjugendring Gera • Kreisjugendring Gotha • Netzwerkstelle Jugendarbeit Landkreis Greiz; KSB Greiz • Kreisjugendring Ilm-Kreis • Demokratischer Jugendring Jena • Kreisjugendring Kyffhäuserkreis e.V • Kreisjugendring Nordhausen  Stadtjugendring Suhl • Jugendring Wartburgkreis

Weiterführende Links

Landeshaushaltsentwurfs 2022 - Einzelplan 04 - Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport ("Örtliche Jugendförderung" auf Seite 63)

Thüringer Kinder- und Jugendhilfe-Ausführungsgesetz (ThürKJHAG, "Örtliche Jugendförderung" in §15b)

„Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit in Corona-Zeiten: Eine Zwischenbilanz zu den Auswirkungen auf Jugendliche, junge Erwachsene und die Strukturen der Jugend(sozial)arbeit“ - Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ (Oktober 2021)

Update - jugendpolitische Reaktionen

"Gerade in pandemischen Zeiten brauchen wir gute Angebote der örtlichen Jugendhilfe!" - Denny Möller, jugendpolitischer Sprecher der SPD Fraktion im Thüringer Landtag

"Es wird keine Kürzungen in der Jugendförderung geben!" - Kati Engel, jugendpolitischer Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag